Pilates kann nach der akuten Phase eines Bandscheibenvorfalls ein wertvoller Weg zur Stabilisierung, Schmerzlinderung und Rückengewinnung sein. Jedoch ist nicht jede Übung für jede Situation geeignet. Drei häufig hilfreiche Übungen findest du am Ende dieses Artikels.
Ich bin nicht nur Pilatestrainerin mit fundierter Ausbildung und sportwissenschaftlicher Expertise, sondern auch selbst betroffen: Nach einem Bandscheibenvorfall (L3/L4) im Jahr 2018 habe ich erfahren, was es heißt, sich Schritt für Schritt ins Leben zurück zu trainieren. Heute kombiniere ich meine eigene Reha-Erfahrung mit dem Wissen aus meinem Studium der Sport- und Trainingswissenschaften sowie jahrelanger praktischer Arbeit mit Klientinnen und Klienten in meinem eigenen kleinen Pilatesstudio.
In diesem Artikel teile ich mit dir:
- was Pilates nach einem Bandscheibenvorfall bewirken kann
- welche Übungen sich bewährt haben
- und welche Stolperfallen du vermeiden solltest, um dich nicht zurück zu werfen
Keine Lust zu lesen? Dann lass mich Dir die wichtigsten Botschaften in diesem Video kurz erzählen.
Ja – aber richtig dosiert und die richtigen Übungen zum richtigen Zeitpunkt. Nach einem Bandscheibenvorfall braucht dein Körper Zeit, Geduld und gezielte Bewegung. Pilates kann dabei eine Schlüsselrolle spielen: sanft, stabilisierend, achtsam. Vor allem die Tiefenmuskulatur wird trainiert – und genau die braucht deine Wirbelsäule jetzt.
Aber: Jeder Bandscheibenvorfall ist anders. Jeder Verlauf entwickelt sich individuell, und was für die eine Person gut funktioniert, kann für die andere zu früh oder zu intensiv sein. Nicht jede Übung passt zu jedem Körper – daher ist es wichtig, dass du lernst, auf deine eigenen Signale zu hören.
Ich selbst konnte die ersten Bewegungen machen, als ich die starken Opiate nicht mehr brauchte. Mein Einstieg bestand nicht aus Pilatesübungen, sondern aus kleinen Spaziergängen von 2–3 Minuten – mehrere Male am Tag. Diese wurden allmählich länger, bis ich irgendwann 10–15 Minuten schaffte. Ich versuchte, wieder Treppen zu steigen oder mich auf den Bauch zu legen. Erst danach kam Pilates ins Spiel.
Ich erinnere mich gut an meine ersten ganz vorsichtigen Planks und die Shoulder Bridge – etwa drei Monate nach dem Vorfall. Ich habe sie extrem langsam und achtsam ausgeführt. Und genau das ist der Kern der Sache: Ein behutsamer, körperorientierter Wiedereinstieg, Schritt für Schritt. Das Training in der Gruppe kann am Anfang noch zu viel sein, weil Übungen zu schnell gehen oder noch zu intensiv sind.
Ich bin mein Leben lang sportlich gewesen: Ballett, Laufen, Aerobic, Krafttraining – täglich Bewegung war für mich selbstverständlich – als Fitnesstrainerin sowieso. Pilates? Das habe ich vor meinem Bandscheibenvorfall ehrlich gesagt nur gemacht, wenn ich mal eine Vertretungsstunde angenommen hatte. Es war mir zu ruhig, zu langsam. Ich stand lieber mit der Langhantel im Kursraum und habe mich ausgepowert oder riss noch ein paar Kilometer in Laufschuhen ab. Allerdings reicht Laufen als Ausgleich zum Job nicht aus. Ein echter Fehler, wie ich später schmerzhaft lernen durfte. (siehe auch: „Mein Weg zum Pilatescoach“)
Im Mai 2018 dann das Drama: Auf einem Campingplatz in Kroatien – heftige Schmerzen, ein taubes Bein. Es ging nichts mehr. Diagnose nach einer 48 stündigen dramatischen Heimfahrt: Bandscheibenvorfall L3/L4.
Trotz meines sportlichen Lebensstils war mein Rücken überfordert. Warum? Weil Sitzen, Einseitigkeit und fehlendes Tiefenmuskulatur-Training ihren Preis gefordert hatten. Und weil ich als Trainerin zwar viel unterrichtete, aber selten selbst für mich trainierte.
Die Reha wurde zum Wendepunkt. Wassergymnastik, manuelle Therapie, Pilates und – mein Highlight – Koordinationstraining. Das Training war stark auf Balanceübungen ausgelegt und forderte mich koordinativ, ähnlich dem Pilates. Ziel war der gezielte Aufbau der Tiefenmuskulatur – nicht mit Kraft, sondern mit Kontrolle und Stabilität. Und das ganzheitlich über den Körper, nicht nur einzelne Muskeln – man spricht dabei auch von funktionellem (Pilates)-Training. Ich nannte es liebevoll „die Zirkusschule“.
Und ich liebte es, zur Entlastung auf dem großen Ball zu hängen.
Was dabei mindestens genauso wichtig war wie das körperliche Training: Mein Vertrauen in mich selbst zurückzugewinnen. Ich weiß genau, wie es sich anfühlt, Angst zu haben, bestimmte Bewegungen wieder auszuführen. Die Unsicherheit, ob man sich wieder belasten darf. Aber genau das ist der entscheidende Punkt: langsam, mit Achtsamkeit, Schritt für Schritt zurückfinden – ins Vertrauen, in die Kraft, in den Alltag.
Besonders durch Pilates habe ich diese Rückverbindung gespürt. Dieses Mal nicht als Trainerin, sondern als Übende. Ganz achtsam. Ganz bei mir.
Heute ist Pilates mein Fundament. Nicht nur, weil ich wieder fit bin – sondern vielleicht sogar fitter als vorher. Ich habe durch diese Erfahrung eine tiefe Überzeugung in die Wirkung von Pilates gewonnen. So sehr, dass ich heute keine Langhantel mehr anfasse und nicht mehr an Geräten im Fitnessstudio trainiere. Stattdessen habe ich mein eigenes Pilatesstudio gegründet, um anderen zu helfen, ebenfalls zurück in ihre Kraft zu finden – so wie ich es erleben durfte. Ich begleite Menschen dabei, Vertrauen in ihren Körper aufzubauen und durch sanfte, gezielte Bewegung wieder Stabilität und Lebensfreude zu gewinnen. Langfristig, in jedem Alter.
Pilates ist mehr als nur ein paar Übungen auf der Matte. Es ist ein ganzheitliches Training, das dich nicht nur körperlich stärkt, sondern auch mental stabilisieren kann – besonders nach einem einschneidenden Erlebnis wie einem Bandscheibenvorfall.
Ich habe selbst gespürt, wie sehr mir diese Bewegungsform geholfen hat, meinen Körper neu zu entdecken und mein Vertrauen in ihn zurückzugewinnen. Pilates arbeitet mit gezielten, oft kleinen Bewegungen – aber diese haben eine große Wirkung. Genau das ist es, was mir geholfen hat: sanft, aber nachhaltig wieder in meine Kraft zu kommen.
- Stärkung der Tiefenmuskulatur – essenziell für die Stabilisierung der Wirbelsäule
- Schulung der Körperwahrnehmung – um Überlastung frühzeitig zu spüren
- Ausgleich von Dysbalancen durch kontrollierte, bewusste Bewegungen
- Steigerung von Kraft und Flexibilität – ohne Überforderung
Wenn du mehr darüber erfahren willst, wie Pilates generell wirkt, dann lies gern meinen Beitrag: Was bringt Pilates wirklich?.
Nicht jede Übung ist geeignet – besonders nach einem Bandscheibenvorfall. Manche klassischen Bewegungen im Pilates wie „Rollup im Sitzen“ (Crunches), der „Teaser“, „Double Leg Stretch“ oder „Rolling Like a Ball“ erzeugen hohe Zuglast auf die Lendenwirbelsäule – das kann in frühen Phasen nach dem Bandscheibenvorfall schaden statt helfen, vor allem, wenn du die Übung vielleicht nicht ganz korrekt ausführst und sowieso ein leichtes Hohlkreuz hast.
Studien zeigen, dass dabei eine sehr hohe Zugbelastung auf die LWS ausgeübt wird:
- Laut Clemens Bachmann (2004) führen Sit-ups zu „extrem hoher punktueller Belastung und Stauchung der Bandscheiben im Lendenwirbelbereich“, insbesondere durch die starke Rundung der Wirbelsäule während der Bewegung.
- Auch Prof. Stuart McGill, einer der führenden Rückenexperten, weist darauf hin, dass wiederholte Beugungen unter Belastung (wie bei Sit-ups) über die Zeit die Bandscheiben schädigen können.
Deshalb gilt: Nutze stattdessen angepasste, stabilisierende Varianten, wie die Shoulder Bridge oder den Plank – langsam, bewusst und angepasst an deinen Zustand.
Wichtig: Leider ist nicht jeder Pilatestrainer so ausgebildet, dass er oder sie diese Unterschiede kennt und berücksichtigt. Achte daher darauf, dass dein Trainer fundierte Erfahrung mitbringt und sich mit Rückenthemen wirklich auskennt. So stellst du sicher, dass du keine Übungen machst, die deinem Rücken (noch) nicht guttun.
Bevor wir zu den konkreten Übungen kommen, ist mir eines wichtig: Diese drei Übungen haben sich in der Praxis bei vielen Menschen mit Bandscheibenvorfall bewährt – aber sie sind nicht automatisch für jede Phase und jeden Körper geeignet. Wer behauptet, dass es die eine Lösung für alle gibt, handelt fahrlässig.
Wenn du diese Übungen ausprobieren möchtest, achte gut auf dich. Spüre genau hin, wie dein Körper reagiert. Und wenn du unsicher bist, melde dich gern bei mir – gemeinsam finden wir heraus, was für dich passt und dich sicher weiterbringt.
Gehe in einen Vierfüßlerstand und hebe die Knie an, so dass du Liegestützposition stehst. Achte darauf, dass die Hände senkrecht unter deinen Schultern stützen und die Nase nach unten schaut, damit der Nacken lang ist. Kopf, Körper und Beine sollten eine Linie bilden. Bitte hänge nicht durch. Halte die Position so lange du kannst. Vielleicht 5 Sekunden oder 10, vielleicht auch 30. Wiederhole die Halteposition 3-5x.
Tipps: Um die Position gut zu treffen, spanne die Bauchmuskeln an. Atme in Ruhe.
Leichter wird es, wenn du zwischendurch die Knie absetzt.
Wirkung: Kräftigt die Körpermitte, stabilisiert Schultern und Bauch
. Stärkung von ege dich auf den Rücken. Stelle die Füße etwa 1-2 fußbreit auseinander auf. Spanne den Po an und hebe das Becken langsam weiter nach oben, so dass sich der Rücken Wirbel für Wirbel vom Boden löst. Das Anheben kann je nach Befinden bis zur Halswirbelsäule erfolgen. Oben angekommen, halte die Position einen Moment. Nun geht es langsam wieder Wirbel für Wirbel nach unten. Erst ganz zum Schluss berühren das Steißbein und der Po wieder den Boden. Halte den Po die ganze Zeit angespannt.
Tipps: Schau während der ganzen Übung Richtung Decke. Die Knie leicht nach innen drücken, damit sie nicht nach außen ziehen.
Wirkung: Entlastung der Bandscheiben und Stärkung von Po als und hintere Oberschenkelmuskultur.
Nimm einen Vierfüßlerstand ein. Hebe den rechten Arm und gleichzeitig das linke Bein an, bis beide auf Rückenhöhe sind. Dann wieder absetzen und mit dem anderen Arm/Bein wiederholen.
Tipps: Halte den Rücken lang. Vermeide ein Durchhängen genauso wie einen runden Rücken. Nase schaut nach unten. Den Hals lang lassen. Hände stützen senkrecht unter den Schultern.
Wirkung: Stärkt Rückenstrecker, verbessert Koordination (Stichwort Zirkusschule)
Nach einem Bandscheibenvorfall brauchst du ein Training, das dich nicht überfordert, aber dennoch fordert. Es gibt kein Patentrezept und keinen Turbo-Weg zur Heilung – sondern nur deinen Weg, in deinem Tempo.
- Trainiere regelmäßig, aber in einem realistischen Maß. Lieber 10 Minuten täglich als eine Stunde einmal im Monat
- Schmerz ist immer ein Stoppsignal. Auch wenn du ehrgeizig bist – achtsames Üben ist entscheidend
- Nicht jede Übung ist zu jeder Zeit geeignet. Es kann sein, dass du manche Pilatesübungen erst Monate später ausführen kannst – und das ist vollkommen okay
- Nachspüren ist Teil des Trainings. Achte auch auf Reaktionen deines Körpers ein paar Stunden später oder am nächsten Tag
- Wenn du unsicher bist, ob du Übungen richtig machst oder ob sie zu deinem aktuellen Zustand passen: Hol dir Hilfe
- Geduld schlägt Perfektion. Kleine Fortschritte zählen
- Verantwortung liegt bei dir. Spüre in dich hinein, nimm deine Grenzen ernst, und geh mit dir so liebevoll um, wie du es bei einer Freundin tun würdest
Ich selbst setze zudem auf:
- Den vollständigen Verzicht auf spezifisches Krafttraining mit der Langhantel. Stattdessen trainiere ich ausschließlich mit meinem eigenen Körpergewicht
- Pilates steht heute im Zentrum meiner Bewegungsroutine – auch privat
- Pilates im Urlaub ist für mich zu einem festen Ritual geworden
- Ich habe meine Sitzgewohnheiten für die Büroarbeit überdacht und praktiziere inzwischen mobiles Sitzen. Was das genau ist und wie es funktioniert, erfährst du in meinem Beitrag: Mobiles Sitzen – Wieso? Weshalb? Warum und Wie?
Vielleicht liest du all das hier und denkst: Klingt gut – aber ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin. Das ist völlig verständlich. Nach einem Bandscheibenvorfall ist es ganz normal, dass du vorsichtig bist. Vielleicht hast du Angst, dir wieder weh zu tun. Vielleicht fragst du dich, ob Bewegung nicht doch zu früh ist. Oder du traust deinem Körper einfach noch nicht.
Ich kenne genau dieses Gefühl. Ich weiß, wie lähmend die Sorge sein kann: Was, wenn es wieder passiert? Aber ich habe auch erlebt, wie stärkend es ist, kleine, sichere Schritte zu gehen – und wieder Vertrauen in den eigenen Körper aufzubauen.
Sprich mit jemandem, der dich ernst nimmt und dich nicht überfordert. Sporttherapeutinnen, Sportwissenschaftler, spezialisierte Pilatestrainer oder auch erfahrene Physiotherapeutinnen sind hier gute Ansprechpartner.
Stelle dir selbst ein paar Fragen, um herauszufinden, wo du gerade stehst:
- Wie gut bewege ich mich ohne Schmerzmittel?
- Was genau traue ich mir schon wieder zu?
- Schaffe ich es, mich auf den Bauch zu legen?
- Fällt es mir leicht, mich hinzulegen, aufzustehen, mich von rechts nach links zu drehen?
- Wo genau traue ich mich noch nicht hinzubewegen?
Du darfst klein beginnen. Und du musst nicht stark starten – du darfst dir Zeit lassen.
Möchtest du gemeinsam herausfinden, was für dich sinnvoll ist? Dann melde dich gern bei mir. Ich hole dich definitiv noch nicht in einen Pilateskurs, wenn ich das Gefühl habe, dass dich das noch überfordert.
Kann ich direkt nach einem Bandscheibenvorfall mit Pilates beginnen?
Warte die akute Phase ab. Erst wenn du dich schmerzfrei bewegen kannst, macht ein offener Pilateskurs Sinn. Bis dahin nutze therapeutisches Pilates, um dich ganz spezifisch und individuell wieder aufzubauen.
Welche Übungen sollte ich vermeiden?
Crunches, starker Rundrücken, der Pilatesteaser, Strecksitz und auch der Rolling like a ball bringen je nach deiner persönlichen Situation viel Zug auf die LWS – all das im Zweifelsfall besser meiden. Lieber stabilisierende, haltende Übungen nutzen, wie Planks und Bridge.
Wie oft soll ich Pilates machen?
In der Therapiephase nach einem akuten Bandscheibenvorfall dürfen es mehrmals täglich 2–3 Minuten erste Übungen oder Bewegungen sein. Im Laufe der Zeit, je nach deinem Fortschritt, werden die Einheiten länger und fokussieren sich auf 2–3× pro Woche.
Wenn du nach einem Bandscheibenvorfall behutsam wieder aktiv werden möchtest, begleite ich dich gern – persönlich, individuell und in deinem Tempo:
Kostenloses Probetraining in meinem Pilates-Gruppenkurs (online via Zoom oder vor Ort in Oberhausen) – ideal, wenn du dich weitestgehend schmerzfrei bewegen kannst und wieder grundsätzlich alle Bewegungen möglich sind. Einzelne Übungen passen wir für dich gerne an.
Therapeutisches Pilates mit individuellem Trainingsplan – maßgeschneidert für dich, um gezielt und sicher nach einem Bandscheibenvorfall wieder aufzubauen
Vielleicht lernen wir uns mal kennen.
die
Pilates-Anna













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